"Orpheus vom Kreuz" Figurengruppe
Diese seltsame, mich irgendwie erheiternde Skulpturengruppe befindet sich auf dem Parkplatz vor dem Ethnographischen Komplex „Damascena“, mitten im Rosental vor dem mächtigen Balkangebirge. Sie stellt den antiken thrakischen Sänger Orpheus dar. Ihm wurden viele halbgöttliche Eigenschaften zugeschrieben. Vor allem aber galt er als der beste aller Sänger. Er betörte Götter, Menschen und sogar Tiere, Pflanzen und Steine. Die Bäume neigten sich ihm zu, wenn er spielte, und die wilden Tiere scharten sich friedlich um ihn. Jeder Besucher, der die Skulpturen betrachtet, kann selbstvergessene Geistliche sehen, die im Begriff sind, Orpheus zu kreuzigen, so wie einst Christus gekreuzigt wurde. Sie nehmen ihm seine Harfe weg, nur um sie durch den Dornenkranz zu ersetzen. Ein Akt, der so grausam ist, dass selbst die wilden Tiere Angst haben und fliehen. Der Schlüssel zu Verständnis dieser Allegorie ist ein wenig bekannter frühchristlicher Artefakt aus etwa dem 3.Jhd. - Die Platte des Orpheus. Links am Bildrand sieht man die vergrößerte Nachbildung eben jenes Artefaktes. Es handelt sich um einen winzigen 9 x 14 mm großen Kegelstumpf ORPHEOS BAKKIKOS auf dem eine vorchristliche Kreuzigung dargestellt ist. Es gibt einen Expertenstreit über dessen Echtheit. Nicht zuletzt, weil es gravierende Widersprüche zur historischen Einordnung als christlich oder orphisch gibt.
Wie auch immer, der Künstler hat nach meinem Verständnis, eine Persiflage auf die umstrittene historische Deutung geschaffen. Und die wiederum schafft einen lockeren Abstand zum eher ernsten wissenschaftlichen Disput.
Jakob F. 09/07/2022 9:03
Ja, ein bisschen kurios mutet das schon an.